Ein
Drittel

Kontext

  • Hochschule Magdeburg-Stendal,
    Master Interaction Design
  • Sommersemester 2021
  • Projektthema: „Changing Habits“
  • Team: Lina Rieck, Anne Merkle
  • Betreuung: Prof. Steffi Hußlein,
    Dipl. Des. Henrik Rieß
  • Unterstützung: Yaroslav Svakha
  • ThingsCon 2022 Rotterdam, Ausstellung

Projekt

Die kritische Installation „Ein Drittel„ konfrontiert Nutzer*innen provokant mit ihren eigenen Privilegien. Ein Drittel aller Menschen hat keinen gesicherten Zugang zu Trinkwasser. Abhängig der Region und dort herrschenden Verhältnissen in die man zufällig hineingeboren wird. Dem Missverhältnis der Wasserverteilung begegnet der gestaltete Wasserspender, indem die Ausgabe von Wasser zu einem Akt der Wahrscheinlichkeit wird. In Analogie an einen Glückspielautomaten egalisiert der Wasserspender die Chancen auf Trinkwasser für alle, die ihn bedienen. Durch das konkrete Erleben der Information wird das Ziel verfolgt, Nutzer*innen für die finanzielle Unterstützung von Hilfsorganisationen anzusprechen.

Installation

Let's get speculatve!

Unter Anwendung der Future-Wheel Methodik werden ausgehend von den Trends (Engagement und Aktivismus, digitaler Aktivismus sowie Abspaltung und Vermeidung) Verknüpfungen und Beziehungen der Themen untereinander sichtbar. Gleichzeitig lassen sich Signale und Trends nach außen miteinander verketten und bilden somit Raum für Konsequenzen und Spekulationen für die Welt 2031. Es lassen sich von zwei große Gruppen beteiligter Akteure aus beobachten. Die von globaler Ungerechtigkeit stark negativ betroffene Gruppe der weniger Privilegierten und die Gruppe der Privilegierteren. Dabei erfährt die Letztere Gruppe vor Allem durch Berichterstattungen verschiedener Art von Missständen, die sie selbst nicht betreffen. Auf Seiten der Privilegierteren lassen sich verschiedene Reaktionen auf die negative Berichtserstattung über globale Missstände beobachten. Von echtem Engagement und Aktivismus über symbolische Anteilnahme bis hin zur Nachrichtenabstinenz durch Überforderung oder bewusste Vermeidung negativer Gefühle. Mit einem Future-Cone werden drei mögliche Zukünfte im Rahmen des Trendszenarios spekuliert. Die verschiedenen Szenarien erzählen von den Akteur:innen, Werten und Regeln der Welt 2031 und lassen sich durch die Begriffe optimistisch, wahrscheinlich und pessimistisch bewerten. Ziel ist es mehr Aufmerksamkeit auf die eigenen Privilegien zu legen. Deswegen fiel die Wahl der hypothetischen Welt auf das Worst-Case-Szenario.

Hintergrund

Sicheres Wasser ist essentiell für ein gesundes Leben, das Recht auf „einwandfreies und sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung“ ein Menschenrecht. Während Trinkwasser in den Industrieländern jederzeit in beliebiger Menge und guter Qualität aus dem Hahn kommt, hat laut UN-Weltwasserbericht 2019 knapp ein Drittel der Menschheit keinen gesicherten Zugang zu sauberem Wasser. Eine sichere Wasserversorgung ist nicht selbstverständlich, sondern ein Privileg, das wir zu schätzen wissen sollten. Vielerorts fehlt es, neben Zugang zu Sanitärversorgung und Hygieneeinrichtungen, an Infrastruktur, wie Brunnen oder Wasserzisternen. Um einen universellen Zugang zu sauberem Trinkwasser in 140 Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu erreichen, sind Investitionen von etwa 1,7 Billionen US-Dollar nötig. Dabei nehmen Hilfsorganisationen und gemeinnützige Vereine welche auf finanzielle Unterstützung und Spenden angewiesen sind, eine entscheidende Rolle ein. Mit Blick auf die Zukunft wird eine massive Zunahme der Wasserprobleme erwartet, durch Übernutzung von Wasserressourcen und Verschmutzung entstehen irreversible Umweltschäden, welche die ohnehin schon knapper werdenden Trinkwasservorräte dezimieren. Hinzu kommen fatale Folgen der globalen Erwärmung. Ernteausfälle und Wasserarmut werden Fluchtursache für geschätzte 135 Millionen Menschen sein.

Lösungsansatz

Die Welt unseres Szenarios in 2031 definiert sich durch die zunehmende Wasserkrise, welche einen Drittel der Menschheit aufgrund ihrer geographischen Lage betrifft. Gleichzeitig herrscht auf Seiten nicht Betroffener größtenteils eine totale Unwissenheit über Missstände in der Welt und keinerlei Bewusstsein über den eigenen Lebensstandart. Das Ziel der Projektarbeit besteht darin, über grundsätzliche Privilegien aufzuklären um Empathie und Engagement für wichtige spendenfinanzierte Hilfsprojekte zu fördern. Die Herausforderung besteht darin, die Zielgruppe zu erreichen und emotional anzusprechen. Privilegien sind Zufall. Zufall kann Glück und Pech bedeuten. Ob Freiheit, Bildungschancen oder Zugang zu Trinkwasser. Die Verteilung sicheren Wasserzugangs soll durch die Metapher des Glücksspiels an einem Wasserspender erlebt werden. Um möglichst viele Menschen anzusprechen soll der Wasserspender an öffentlichen Orten platziert werden. Die Installation soll im Gegensatz zu einem Informationsplakat nicht belehrend wirken, sondern durch das reine erleben für sich selbst sprechen und damit zu einer Auseinandersetzung anregen.

Konzept

Der Wasserspender ist in drei vertikale Abschnitte unterteilt und in Analogie eines einarmigen Banditen gestaltet. Nach der Bezahlung wird der Hebel zur Wasserausgabe bedient und das Glücksspiel startet. Dabei verändern alle zunächst zu zwei dritteln gefüllten Abteile des Wasserspenders randomisiert ihren Füllstand. Zwei von den dreien Abteilen werden nach dem mehrsekündigen Umverteilungsprozess ganz voll mit Wasser gefüllt sein, wobei eines der Abteile ganz leer bleibt. Tritt der Fall ein, dass das Abteil über dem Ausschank mit Wasser gefüllt ist, wird Wasser in den darunter stehenden Becher gefüllt. Für den Fall, dass das Abteil über dem Ausschank leer ist, geht der*die Nutzer*in leer aus. Stattdessen fällt eine Spendenbescheinigung für gemeinnütziger Wasserprojekte in den Becher. (Für den Prototyp wurde auf die Bezahlung verzichtet und stattdessen Informationen über die Wasserkriese vermittelt).

Umsetzung im Funktionsprototypen

Für den Prototypen wird ein Bildschirm verwendet, um den Wasserstand und die zufällige Änderung des Wasserpegels zu visualisieren. Die technischen Bestandteile befinden sich in einem aus MDF-Platten gelaserten Gehäuse. Auf einem Raspberry Pi läuft ein in Javascript geschriebenes Programm. Dieses löst, sobald die Installation durch den Knopfdruck gestartet wird, die Zufalls-Animation auf dem Bildschirm aus. Welches der drei Segmente nach Ablauf der Animation leer bleibt, wird zufällig berechnet. Dieses Ergebnis kommuniziert der Raspberry PI einen Arduino Uno. Je nach Ausgang wird eine peristaltische Pumpe gestartet, di den Becher mit Wasser füllt. Für den anderen fall wird der eingebaute Thermodrucker gestartet, welcher die Informationen ausdruckt. Ein Schneidemechanismus sorgt dafür, dass der Ausdruck in den Becher fällt.

Reflexion

Die Wasserkrise wird sich nicht von allein lösen, aktive Handlungen und das Lenken der Aufmerksamkeit auf das Thema sind notwendig, in dem Fall sogar lebensnotwendig. Die Installation „Ein Drittel“ ist hierbei nur ein kleines prototypisches Stellrädchen, um dem Ziel “Wasser für alle“ näher zu kommen. Dennoch zeigen die Nutzerbefragungen der Installation „Ein Drittel“, dass durch das eigene Erleben der Information über Zugang zu sicherem Trinkwasser ein Bewusstsein über eigene Privilegien im Alltag steigt. Mit einem erlebnisbasierten Ansatz der Informationsvermittlung an öffentlichen Orten könnten viele Menschen aufgeklärt und potenzielle Spender für Hilfsorganisationen und gemeinnützige Vereine angesprochen werden.

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